Die Tage werden kürzer und trister. In unserer Region häufen sich die nebelverhangenen Tage. Die Blätter fallen allmählich von den Bäumen. Dies sind die offensichtlichen und alljährlichen Zeichen, dass der Herbst Einzug gehalten hat.
Innerlich geht es mir zur Zeit im übertragenen Sinn ähnlich. Ich bin träge, habe keine Kraft mehr und sehe alles grau und trüb. Anders ausgedrückt leide ich wohl unter einer Herbstdepression. Und dies in einer Ausprägung, wie ich es noch selten erlebt habe. Vor ca. 2-3 Monaten hatte ich noch eine kleine Hoffnung, dass mir der neue Job neuen Schwung geben könnte. Dem ist aber nicht so. Am liebsten würde ich jeden Tag Zuhause bleiben und mich im Bett verkriechen. Selbst die Dinge, die Zuhause erledigt werden müssten, mag ich grösstenteils nicht anpacken.
Es fühlt sich - etwas übertrieben formuliert - an als wäre ich in einen tiefen, ausgetrockneten Brunnen gefallen, aus dem ich mit eigener Kraft nicht hinausklettern kann. Schreien mag und will ich nicht, da der Schall ohnehin durch die dicken Mauern rundherum verschluckt wird und mich niemand hören kann. Ab und zu sehe ich weit über mir einen Vogel durchfliegen; aber der kann mir nicht helfen. Gelegentlich verirrt sich ein Insekt in den Brunnen hinein, aber das belästigt mich eher als dass es mir irgendwie nützlich ist - ausser vielleicht als proteinreiche Nahrungsquelle, wenn ich es denn verschlucken wollte. Die paar Spinnen, die sich da und dort ihre Nester bauen, dienen höchstenfalls für kurzzeitige Unterhaltung und Ablenkung meiner Gedanken. Nichts, was ich versuche, macht irgendeinen einen Sinn. Ich kann nur warten und auf ein baldiges Ende hoffen oder darauf, dass zufälligerweise jemand kommt, in den Brunnen hinunterschaut, mich sieht und weiss, was zu tun ist, um mich da rauszuholen.
Die Brunnen-Beschreibung entspricht natürlich nicht meiner wirklichen Situation. Immerhin kann ich mich - innerhalb gewisser Grenzen - frei bewegen, treffe da und dort auf andere Menschen und unterhalte mich mit einigen davon. Ich kann mich normal ernähren, wohne in einem Haus mit Fernstern - von denen ich ein Stück weit Aussicht habe über andere Häuser hinweg - und ich habe, wie schon oben angedeutet, ein bequemes Bett, in das ich mich hineinlegen kann. Tief im Inneren könnte ich mich aber kaum einsamer, verlassener und hoffnungsloser fühlen als in einem tiefen Brunnen. Der einzige, zu dem ich schreien kann, ist Gott. Aber er scheint mich nicht zu hören oder mir nicht helfen zu wollen. Warum muss ich seit Jahrzehnten immer wieder leiden? Warum kann er mich nicht endlich herausholen aus diesem Sumpf von Frust, Mutlosigkeit und Selbstmitleid? Weshalb muss ich weiter ausharren in Hoffnungslosigkeit und Verdruss?
Nach Hiob aus "Gute Nachricht Themenbibel":
6,2-3a: "Wenn jemand meinen Kummer wiegen wollte und meine Leiden auf die Waage legte - sie wären schwerer als der Sand am Meer."
10,18-19: "Warum, Gott, hast du mich ans Licht geholt, hervorgezogen aus dem Leib der Mutter? Wär ich gestorben, eh' ein Mensch mich sah! Vom Schoss der Mutter gleich hinein ins Grab, das wäre so, als wär ich nie gewesen!"
17,11: Vorbei sind meine Tage; meine Pläne, die Wünsche meines Herzens, sind zunichte.
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