Samstag, 8. Oktober 2022

Rückblick auf einen speziellen Tag

Nach dem letzten - sehr bedrückenden - Post will ich heute rückblickend über einen speziellen Tag berichten, den ich Ende August erleben durfte.

Mehrere Wochen zuvor hatte ich in einem Newsletter von einer, auf Autismusbetroffene gerichtete, Hilfsorganisation eine Information darüber erhalten, dass an dem Tag unter anderem eine Führung durch den Flughafen geplant sei. Weil aber nur eine beschränkte Anzahl Plätze verfügbar waren, wurde darauf hingewiesen, man sich nur anmelden, wenn man ein besonderes Interesse am Thema habe. Daran lag es zwar nicht, aber ich hatte bereits einmal an einer ähnlichen Führung teilgenommen und wollte daher anderen die Chance nicht nehmen. Als etwas später in einem weiteren Newsletter erwähnt wurde, dass noch Plätze frei seien, meldete ich mich doch noch dazu an.

So fuhr ich den an jenem Tag zum Flughafen, schlängelte mich zielstrebig an anderen Menschen vorbei zum Treffpunkt, wo ich einen Badge erhielt und nochmals kurz über den Ablauf informiert wurde. Bereits an dem Treffpunkt und während der Zeit, bevor es offiziell los ging, war offensichtlich, dass einige Personen dabei waren, die auf ihre individuelle Art sehr aussergewöhnlich waren. Ein Junge stand am Anfang mit Gehörschutz dort und schaute mehr oder weniger teilnahmslos vor sich auf den Boden. Eine etwa 20- bis 25-jährige Frau war offensichtlich besonders erfreut, dort sein zu dürfen, wurde jedoch die ganze Zeit von einer älteren Frau (vermutlich war es ihre Mutter) an der Hand geführt. Sie redete - wenn überhaupt - kaum verständlich. Ein Mann war mit zwei Söhnen dort, die beide sehr interessiert an allem waren. Der jüngere stellte mehrmals irgendwelche Fragen und äusserte Erkenntnisse seinerseits. Einem jungen, englischsprechenden Mädchen gefiel es überhaupt nicht und sie sagte mehrfach zu ihrer Begleitperson, es sei 'beschissen' und sie wolle einfach nur nach Hause. Ob es am leichten Regen lag, am unangenehmen Umgebungslärm oder an etwas anderem, fand ich hingegen nicht heraus. Dass die beiden schliesslich an der Führung überhaupt teilnahmen, bezweifle ich, denn ich sah sie später nicht mehr. Ein früherer Mitarbeiter des Flughafens war ebenfalls unter den Teilnehmern und wusste dementsprechend bereits fiel. Während der Führung (wir waren in der gleichen Gruppe) sagte er, dass er schon lange nicht mehr am Flughafen war und sich angemeldet habe, weil er gerne sehen wollte, was sich in der Zwischenzeit verändert habe.

Die Führung hatte mir insgesamt sehr gut gefallen, ich wurde allerdings recht müde vom langen stehen und gehen, weil ich das im Alltag nicht gewohnt bin. Zudem setzte mir auch der Lärm ein wenig zu. Bedauerlicherweise war am Mittag nichts gemeinsames geplant, alle konnten für sich entscheiden, ob sie überhaupt für den zweiten Teil am Nachmittag bleiben wollten und falls ja, wo sie die Mittagspause verbringen. Ich entschied mich dazu, im Imbiss-Restaurant auf der Besucherterasse etwas zu essen, verstand aber das Bedienkonzept dort nicht von Anfang an und war dann etwas generft, dass es lange dauerte, bis ich das Essen an der Theke abholen konnte. Es schien mir, dass die Person dort heillos überfordert war vom grossen Ansturm. Es wäre wohl angenehmer gewesen, ins Selbstbedienungsrestaurant ausserhalb der Terasse zu gehen.

Am Nachmittag gab es eine Fragerunde mit Experten, die sich im Flugverkehr und am Flughafen sehr gut auskannten. Der eine war früher Pilot und der andere hatte u.a. in der Gepäckabwicklung und bei der Flugzeugwartung gearbeitet. Es war äusserst lehrreich, was die beiden Herren als Antwort auf einzelne Fragen zu sagen hatten. Insgesamt gab es allerdings weniger Fragen als ich im Voraus erwartet hatte. Und ein paar Fragen waren - aus meiner Sicht - sehr einfach oder offensichtlich zu beantworten. Aber im Sinne von "es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten", haben die Herren auch zu diesen Fragen sehr wohlwollend und verständnisvoll Auskunft gegeben.

Zusammenfassend gesagt, habe ich nicht nur Neues über Flugzeuge und den Flughafen erfahren, sondern mir wurde auch einiges bewusst zu verschiedenen Einschränkungen aber auch Begabungen, die Betroffene von Autismus haben können. Wenn man solches in der Theorie liest, ist es etwas ganz anderes als wenn man es im direkten Kontakt (oder auch Nicht-Kontakt) miterleben kann. Und als selbst Betroffene sehe ich, wo ich im Vergleich zu anderen stehe. Das war eine äusserst bereichernde Erfahrung.

Sonntag, 2. Oktober 2022

Verstärkt depressive Phase und morbide Gedanken

In letzter Zeit fühle ich mich noch schlechter als sonst. Seit ich vor einem knappen Monat nach einer vermutlichen Covid-19-Infektion (vermutlich während der im letzten Post erwähnten Reise) über mehrere Tage allgemein etwas angeschlagen war, ist meine ohnehin schon tiefe Arbeits- und Lebensmotivation auf einem Tiefpunkt angelangt. Jeden Morgen würde ich am lieber im Bett bleiben anstatt aufstehen zu müssen. Da ich aber genau weiss, dass ich ohne zur Arbeit zu fahren bald mal meinen Job verlöre und in Folge das Einkommen ausbliebe, überwinde ich mich eben jeweils doch, aufzustehen und etwas später zur Arbeit zu fahren.

Ich weiss eigentlich selbst nicht recht warum, aber bei jeder Arbeitsstelle löscht es mir nach knapp zwei Jahren jeweils derart ab, dass ich einfach nicht mehr mag. An diesem Punkt bin ich jetzt eben wieder angelangt und ich weiss noch nicht, wie oder ob ich da wieder herauskommen soll, ohne einen erneuten Wechsel der Arbeitsstelle. Im Grunde genommen Wünsche ich mir zwar nichts sehnlicher, als Stabilität und Sicherheit. In Bezug auf die Arbeitsstelle(n) scheitere ich aber immer wieder von Neuem.

Wenn mir jemand morgen eine Tablette überreichen würde, mit der die Lebensfunktionen meines Körpers in wenigen Minuten/Stunden beendet würden, wäre ich nicht abgeneigt, diese anzunehmen. Dass ich die Tablette dann tatsächlich gleich schlucken würde, ist allerdings zweifelhaft. Eher würde ich sie bei mir behalten für einen Zeitpunkt, zu dem ich wirklich total frustriert und verzweifelt bin - also quasi für den 'Notfall'.



Nachfolgend ein paar Begebenheiten aus meiner Vergangenheit - das passt gerade zum Thema der obigen Zeilen.

Als ich im Kindergarten war, starb meine Grossmutter in einem Fluss, in den sie sich selbst begeben hatte. Dieses Ereignis, und vor allem die konkreten Umstände in dem Zusammenhang, führten bei mir zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, von der ich bis heute nicht vollumfänglich losgekommen bin, auch wenn meine Grossmutter mittlerweile sicher ohnehin gestorben wäre.
Seit jenem Tag habe ich mir x-mal überlegt, ob die Variante des in einen Fluss Springens für mich vielleicht auch in Frage käme, zumal ich keine besonders gute Schwimmerin bin. Es könnte aber ebenso gut sein, dass - einmal im Wasser - mein intuitiver Überlebenswille derart stark würde, dass ich mich mit aller Kraft doch wieder irgendwo ans Ufer retten könnte.

An einer anderen, möglichen Todesvariante bin ich im übertragenen Sinn bereits einmal gescheitert. Als Teenager auf der Terrasse im obersten Stockwerk eines Hochhauses stehend, betete ich zu Gott und flehte ihn an, er solle bitte dafür sorgen, dass die folgenden zwei Wochen für mich nicht so schlecht werden würden, wie ich befürchtete, sonst stürzte ich mich am Ende der zwei Wochen von ebendieser Terrasse in die Tiefe. In gewisser Weise wusste ich zwar, dass ich mir punkto Ausführung dieser 'Drohung' selbst nicht zu 100% sicher war, u.a. weil ich befürchtete, unten 'nur' schwer verletzt und nicht tot anzukommen. So oder so war ich extrem betrübt, unglücklich und zutiefst verzweifelt, weshalb unbedingt wollte, dass Gott meinen Wunsch ernst nehmen würde. Interessanterweise wurden die zwei Wochen dann in der Tat ausserordentlich angenehm für mich. Ich kann sogar mit gutem Gewissen sagen, dass es zwei der besten Wochen meines Lebens wurden.
Dieses Erlebnis wühlte mich im Nachgang innerlich sehr auf. Mehr als zuvor war ich überzeugt davon, dass es Gott tatsächlich gibt und er uns helfen kann, wenn wir Hilfe ernsthaft benötigen, und zwar nicht einfach nur in gefährlichen Situationen in Form eines Schutzengels, sondern eben auch in tiefster persönlicher Not.
Leider konnte ich seither kein derart klares Zeichen mehr erkennen und meine Zweifel an Gottes Existenz - und vor allem an seinem Eingreifen ins menschliche Leben - sind danach wieder gestiegen. Es gab in der Zwischenzeit mehr als eine Situation, bezüglich der ich mich nachträglich wunderte, warum mich Gott nicht vor etwas beschützt bzw. verschont hat. ... Ja, wir Menschen haben einen eigenen Willen und Gott lässt uns diesen eigenen Willen; er zwingt uns zu nichts. Aber manchmal wäre es eben doch besser, wenn Gott sich zu unserem Schutz und in guter Vorhersehung über unseren Willen hinwegsetzen würde, damit wir nicht nachträglich die schwerwiegenden und mitunter schmerzlichen Konsequenzen einer Aktion oder Nicht-Aktion tragen müssten.

Wenn ich jeweils mit dem Zug zwischen meiner Wohnung und dem Arbeitsort pendelte, stand ich ab und zu sehr nahe an den Rand des Perrons und zog in Betracht, den entscheidenden letzten Schritt hinunter aufs Gleis zu nehmen, wenn gerade ein Schnellzug kurz vor der Durchfahrt war. Immer wieder hatte ich aber Skrupel davor bzw wollte nicht, dass nur meinetwegen der Zugverkehr auf dem betreffenden Gleis und vielleicht im gesamten Bahnhof zum Erliegen kam. So verzichtete ich den immer wieder darauf. Nicht zuletzt war auch da immer wieder meine Befürchtung gross, ich würde durch den Zusammenprall mit dem Zug nicht sterben sondern würde später schwer verletzt in einem Krankenhaus aufwachen und müsste mich gegenüber verschiedensten Leuten die Frage beantworten, warum ich das getan hätte.

Vor wenigen Jahren kaufte ich mir in einem Waffengeschäft zwei Pistolen. Offiziell machte ich das wegen meiner Absicht, einem Schützenverein beizutreten und - hoffentlich - hohe Punktergebnisse beim Schiessen zu erzielen. So fuhr ich nach dem Waffenkauf auch tatsächlich mehr als einmal zum wöchentlichen Treffen der Pistolenschützen bzw. zum Schützenhaus. Meine Ergebnisse beim Schiessen waren zwar nicht grottenschlecht aber auch nicht so gut, als dass es für mich Sinn gemacht hätte, an den Wettkämpfen teilzunehmen. Irgendwann ging ich kaum mehr hin. Etwas später kam der Lockdown wegen Covid-19 und danach waren wochenlang keine Vereinstreffen mehr erlaubt. Aber auch seit diese Treffen wieder möglich sind, war ich bis heute nicht mehr dort.
Der Grund, warum ich das erwähne, hat aber mit dem Vereinsleben oder Covid-19 keinen Zusammenhang, sondern mit dem Waffenkauf als solches. Im Grunde genommen kaufte ich mir die Waffen nämlich mit einem anderen Hintergrundgedanken: Sie würden mir in gegebener Situation einen Suizid ermöglichen. Es ist allgemein bekannt, dass ein Schutz in den Kopf mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod führt. Auch da gibt es logischerweise ein Restrisiko: Das Gehirn könnte nach der Schussabgabe stark geschädigt sein, ohne dass man tatsächlich tot ist. Je nach dem, welche Hirnregion(en) beschädigt würde(n), hätte dies einen Einfluss darauf, wie bewusst man sein eigenes Umfeld bzw. sein  Leben noch wahrnehmen würde. Aber egal wie es ausgehen würde, man wäre danach sicher nicht mehr die gleiche Person wie zuvor.

Ist die Methode, sich mit einer Pistole töten zu wollen, letztlich besser als die ganz oben erwähnte Methode mithilfe einer Tablette??? Ich weiss es nicht und vermutlich auch sonst niemand. Allerdings weiss ich, dass es sehr schwer ist, an eine entsprechende Tablette heranzukommen. In diesem Jahr bin ich Exit beigetreten. Ob ich jemals deren Sterbehilfe-Dienst in Anspruch nehmen werden, weiss ich noch nicht. Aber es ist irgendwie beruhigend für mich, das als zusätzliche Variante zur Verfügung zu haben, wenn ich es denn wirklich möchte. In der Hinsicht ist nur die Frage, ob mein Hausarzt bzw. meine Hausärztin mir das notwendige Attest erteilen würde, welches für den Bezug des zu verabreichenden Medikaments notwendig ist.