Mehrere Wochen zuvor hatte ich in einem Newsletter von einer, auf Autismusbetroffene gerichtete, Hilfsorganisation eine Information darüber erhalten, dass an dem Tag unter anderem eine Führung durch den Flughafen geplant sei. Weil aber nur eine beschränkte Anzahl Plätze verfügbar waren, wurde darauf hingewiesen, man sich nur anmelden, wenn man ein besonderes Interesse am Thema habe. Daran lag es zwar nicht, aber ich hatte bereits einmal an einer ähnlichen Führung teilgenommen und wollte daher anderen die Chance nicht nehmen. Als etwas später in einem weiteren Newsletter erwähnt wurde, dass noch Plätze frei seien, meldete ich mich doch noch dazu an.
So fuhr ich den an jenem Tag zum Flughafen, schlängelte mich zielstrebig an anderen Menschen vorbei zum Treffpunkt, wo ich einen Badge erhielt und nochmals kurz über den Ablauf informiert wurde. Bereits an dem Treffpunkt und während der Zeit, bevor es offiziell los ging, war offensichtlich, dass einige Personen dabei waren, die auf ihre individuelle Art sehr aussergewöhnlich waren. Ein Junge stand am Anfang mit Gehörschutz dort und schaute mehr oder weniger teilnahmslos vor sich auf den Boden. Eine etwa 20- bis 25-jährige Frau war offensichtlich besonders erfreut, dort sein zu dürfen, wurde jedoch die ganze Zeit von einer älteren Frau (vermutlich war es ihre Mutter) an der Hand geführt. Sie redete - wenn überhaupt - kaum verständlich. Ein Mann war mit zwei Söhnen dort, die beide sehr interessiert an allem waren. Der jüngere stellte mehrmals irgendwelche Fragen und äusserte Erkenntnisse seinerseits. Einem jungen, englischsprechenden Mädchen gefiel es überhaupt nicht und sie sagte mehrfach zu ihrer Begleitperson, es sei 'beschissen' und sie wolle einfach nur nach Hause. Ob es am leichten Regen lag, am unangenehmen Umgebungslärm oder an etwas anderem, fand ich hingegen nicht heraus. Dass die beiden schliesslich an der Führung überhaupt teilnahmen, bezweifle ich, denn ich sah sie später nicht mehr. Ein früherer Mitarbeiter des Flughafens war ebenfalls unter den Teilnehmern und wusste dementsprechend bereits fiel. Während der Führung (wir waren in der gleichen Gruppe) sagte er, dass er schon lange nicht mehr am Flughafen war und sich angemeldet habe, weil er gerne sehen wollte, was sich in der Zwischenzeit verändert habe.
Die Führung hatte mir insgesamt sehr gut gefallen, ich wurde allerdings recht müde vom langen stehen und gehen, weil ich das im Alltag nicht gewohnt bin. Zudem setzte mir auch der Lärm ein wenig zu. Bedauerlicherweise war am Mittag nichts gemeinsames geplant, alle konnten für sich entscheiden, ob sie überhaupt für den zweiten Teil am Nachmittag bleiben wollten und falls ja, wo sie die Mittagspause verbringen. Ich entschied mich dazu, im Imbiss-Restaurant auf der Besucherterasse etwas zu essen, verstand aber das Bedienkonzept dort nicht von Anfang an und war dann etwas generft, dass es lange dauerte, bis ich das Essen an der Theke abholen konnte. Es schien mir, dass die Person dort heillos überfordert war vom grossen Ansturm. Es wäre wohl angenehmer gewesen, ins Selbstbedienungsrestaurant ausserhalb der Terasse zu gehen.
Am Nachmittag gab es eine Fragerunde mit Experten, die sich im Flugverkehr und am Flughafen sehr gut auskannten. Der eine war früher Pilot und der andere hatte u.a. in der Gepäckabwicklung und bei der Flugzeugwartung gearbeitet. Es war äusserst lehrreich, was die beiden Herren als Antwort auf einzelne Fragen zu sagen hatten. Insgesamt gab es allerdings weniger Fragen als ich im Voraus erwartet hatte. Und ein paar Fragen waren - aus meiner Sicht - sehr einfach oder offensichtlich zu beantworten. Aber im Sinne von "es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten", haben die Herren auch zu diesen Fragen sehr wohlwollend und verständnisvoll Auskunft gegeben.
Zusammenfassend gesagt, habe ich nicht nur Neues über Flugzeuge und den Flughafen erfahren, sondern mir wurde auch einiges bewusst zu verschiedenen Einschränkungen aber auch Begabungen, die Betroffene von Autismus haben können. Wenn man solches in der Theorie liest, ist es etwas ganz anderes als wenn man es im direkten Kontakt (oder auch Nicht-Kontakt) miterleben kann. Und als selbst Betroffene sehe ich, wo ich im Vergleich zu anderen stehe. Das war eine äusserst bereichernde Erfahrung.